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BUCH SULEIKA.





|135| Nur wenig ist’s was ich verlange,
Weil eben alles mir gefällt,
Und dieses Wenige, wie lange,
Giebt mir gefällig schon die Welt!

Oft sitz’ ich heiter in der Schenke
Und heiter im beschränkten Haus;
Allein so bald ich dein gedenke,
Dehnt sich mein Geist erobernd aus.

Dir sollten Timurs Reiche dienen,
Gehorchen sein gebietend Heer,
Badakschan zollte dir Rubinen,
Türkisse das Hyrkanische Meer.

|136| Getrocknet honigsüße Früchte
Von Bochara dem Sonnenland,
Und tausend liebliche Gedichte
Auf Seidenblatt von Samarkand.

Da solltest du mit Freude lesen
Was ich von Ormus dir verschrieb,
Und wie das ganze Handelswesen
Sich nur bewegte dir zu lieb.

Wie in dem Lande der Bramanen
Viel tausend Finger sich bemüht,
Daß alle Pracht der Indostanen
Für dich auf Woll’ und Seide blüht.

Ja zu Verherrlichung der Lieben
Gießbäche Soumelpours durchwühlt,
Aus Erde, Grus, Gerill, Geschieben
Dir Diamanten ausgespült.

|137| Wie Taucherschaar verwegner Männer
Der Perle Schatz dem Golf entriß,
Darauf ein Divan scharfer Kenner
Sie dir zu reihen sich befliß.

Wenn nun Bassora noch das Letzte,
Gewürz und Weyrauch beigethan,
Bringt alles was die Welt ergetzte
Die Caravane dir heran.

Doch alle diese Kaisergüter
Verwirrten doch zuletzt den Blick;
Und wahrhaft liebende Gemüther
Eins nur im andern fühlt sein Glück.

Entstehung: 17.03. und 17.05.1815
Originalpaginierung: 135–137
Johann Wolfgang von Goethe
West–oestlicher Divan
Stuttgart 1819


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